Analyse von Stadtvierteln
Halbierung des Energieverbrauches bis 2050 möglichBis 2050 ist die notwendige Halbierung des Endenergiebedarfs im gesamten Gebäudesektor noch zu schaffen. Dies beweist nun die Analyse einer Großfeldanalyse zweier jeweils vier Quadratkilometer großer Stadtteile.
Hierzu ist allerdings eine klare Fokussierung auf den besten verfügbaren Baustandard sowohl bei der thermischen Sanierung als auch beim Neubau konsequent notwendig. Hingegen führt selbst eine Sanierungsrate von 2,7 Prozent bei mäßiger thermischer Qualität nicht zur Erreichung der Klimaschutzverpflichtungen.
Grafiken: 4 km²-Ausschnitte der Szenariogebiete von Innsbruck und Wien-Penzing mit allen analysierten Projekten der letzten 6 Jahre. Rote Punkte sind Passivhäuser oder EnerPHit-Sanierungen. Gelbe Punkte sind Sanierungen mit 50% Einsparung oder weniger. Beide exemplarisch betrachteten Stadtteile mit jeweils vier Quadratkilometer Größe haben etwa eine ähnliche Gebäudestruktur mit 30.000 Einwohner und einer Dichte von 7.500 Bewohnern je km². Sie weisen durch den großvolumigen Wohnbau eine wesentlich höhere Sanierungsrate als üblich auf.
Grafik: Beide Gebiete Ausgangslage 249 GWh/a Endenergieverbrauch (8.300 kWh/EW gem. Wr. Energiebericht 2018).
Energetische Verbesserungs-Maßnahmen:
Gebiet Penzing: 2,7% Sanierungsrate mit 50% Endenergieeinsparung; Neubau in NEH-Standard.
Gebiet Innsbruck: 2,1% Sanierungsrate mit 80% Endenergieeinsparung; Neubau in PH-Standard.
EEB = Endenergiebedarf in GWh/a; BGF = Bruttogeschoßfläche; Penz = Penzing; IBK = Innsbruck
Bei dieser bisher größten Feldanalyse von insgesamt 390.000 Quadratmetern [m²] thermisch sanierter Bruttogeschoßflächen [BGF] der letzten 6 Jahre in zwei Stadtteilen von Wien und Innsbruck ergibt sich eine eindeutige Handlungsempfehlung für die Umsetzung einer erfolgreichen Wärmestrategie für die Mission 2030. Die Grafik zeigt detailliert die Entwicklung der Endenergieverbräuche in Gigawattstunden pro Jahr [GWh/Jahr] auf, unterteilt nach unsanierter BGF, sanierter BGF und Neubauzuwachs BGF, für die beiden mit vier Quadratkilometer gleich großen Gebiete in Penzing und Innsbruck unter Weiterführung der beiden engagierten, aber unterschiedlichen Strategien.
Sehr deutlich kommt hier nun heraus, dass trotz 2,7 Prozent Sanierungsrate bei im Mittel nur 50 Prozent Energieeinsparung und gleichzeitig Niedrigstenergiehaus-Standard im Neubau die 2050 Ziele zur Halbierung des Energieverbrauches klar verfehlt werden. Die 2,7 Prozent entsprechen den rund 220.000 m² erfassten sanierten Flächen in Penzing in den rund letzten sechs Jahren. Unter der Annahme einer gleichbleibend hohen Sanierungsrate wäre rein theoretisch bereits 2052 der gesamte Gebäudebestand thermisch saniert und um 50 Prozent verbessert. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Gebäude thermisch sanierbar sind. Zugleich wird 2069 auf Grund des unzureichenden Niedrigstenergiehaus-Standard der Neubau einen gleich hohen Energieverbrauch in Summe aufweisen wie der sanierte Gebäudebestand.
Dem gegenüber kommt Innsbruck "nur" auf eine Sanierungsrate von 2,1 Prozent, erzielt jedoch mit im Mittel 80 Prozent Energieeinsparung und konsequenten Neubau in Passivhaus-Standard eine Halbierung des Energieverbrauches bis 2050. Außerdem kann auch danach noch weiter der Energieverbrauch um bis zu 70 Prozent gegenüber 2014 gesenkt werden, obwohl die Bruttogeschoßflächen um 54 Prozent anwachsen werden! Die 2,1 Prozent entsprechen den rund 170.000 m² erfassten und sanierten Flächen in Innsbruck in den rund letzten sechs Jahren.
Grafik: Entwicklung des Endenergieverbrauches unter Mitberücksichtigung des Zuwachses aus dem Neubauvolumen für beide Gebiete in Wien/Penzing und Innsbruck
Unter Mitberücksichtigung des Endenergiezuwachses durch das Neubauvolumen ergibt sich für 2050 im Penzinger Szenario eine Einsparung von 39 Prozent und im Innsbruck-Szenario eine Einsparung von 62 Prozent. Bis zum Jahr 2068 ergeben sich Einsparungen beim Gebiet Penzing von 44 Prozent und im Gebiet Innsbruck von 77 Prozent. Im Penzing-Szenario wird 2050 der geringste Endenergieverbrauch erreicht, da sich ab diesem Zeitpunkt Einsparungen aus weiteren thermischen Zweitsanierungen nach 40 Jahren und Zuwächse durch das Neubauvolumen etwa die Waage halten. Währenddessen kann im Innsbrucker Szenario bis 2062 der Endenergieverbrauch nochmals erheblich gesenkt werden, ehe er sich dann auf sehr niedrigem Niveau einpendelt.
Im Innsbruck-Szenario werden neben dem Erreichen der Klimaschutzziele und EU-Verpflichtungen auch viele weitere positive Aspekte erzielt:
- Voraussetzung für 100 Prozent erneuerbare naturverträgliche Energieversorgung
- Dezentrale Energieerzeugung und Energienutzung ohne Belastung der Netze
- Bestmögliche Resilienz
- Bester Wohnkomfort durch permanent frische Luft
- Deutlich geringere Schadstoffbelastungen in Innenräumen
- Kostengünstigste Gesamtlösung für das gesamte betrachtete Gebiet
- Entlastung von Energie-Infrastrukturkosten
- Hohe inländische Wertschöpfung
- Nachhaltige Einnahmen für das Finanzministerium
- Überführung des Handelsbilanzdefizits in einen Handelsbilanzüberschuss
- Know-how Vorsprung der österreichischen Bauwirtschaft
- Voraussetzungen für die Klimawandelanpassung
- Kein kurzfristiger Boom mit anschließender Flaute
Es zeigt sich also, dass die für einen erfolgreichen Klimaschutz notwendige Halbierung des Endenergiebedarfs im gesamten Gebäudesektor bis 2050 noch zu schaffen ist. Hierzu ist allerdings eine klare Fokussierung auf den besten verfügbaren Baustandard sowohl bei der thermischen Sanierung als auch beim Neubau konsequent notwendig. Denn wenn wir auf höchste Energieeffizienz setzen, dann kann der restliche Energiebedarf auch tatsächlich mit Erneuerbaren Energieträgern versorgt werden.
Titelfoto: EnerPHit-Sanierung Bruckner Straße der Neuen Heimat Tirol in Innsbruck; Credits: LANG consulting