263.000 Menschen in Österreich können es sich laut Statistik Austria nicht leisten ihre Wohnungen angemessen warm zu halten. Mit dem „Pilotprojekt gegen Energiearmut“ hat der Klima-und Energiefonds 2011 im Rahmen seines Energieforschungsprogrammes das Thema zu einem Förderprojekt gemacht. Nun liegen die Ergebnisse dieses österreichweit größten Forschungsprojektes zum Thema Energiearmut, das erstmals österreichweit Wirtschaft, Wissenschaft und Soziales verbunden hat, vor: Unter Federführung des Österreichischen Instituts für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) wurden österreichweit in 400 einkommensschwachen Haushalten Energieeffizienzmaßnahmen durchgeführt und ihr Nutzen evaluiert. Ausgangspunkt waren drei Projekte der Caritas wie u.a. der VERBUND-Stromhilfefonds der Caritas.
Im Rahmen einer Pressekonferenz wurden heute in Wien die zentralen Ergebnisse des Pilotprojektes gegen Energiearmut von Klima-und Energiefonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel, ÖIN-Geschäftsführerin Anja Christanell, Caritas-Präsident Michael Landau und dem Vorstandsvorsitzenden von Verbund, Wolfgang Anzengruber, präsentiert. Ein Maßnahmenkatalog zeigt auf, welche Wege es für Betroffene aus der Energiearmutsfalle geben kann.
Klima-und Energiefonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel: „Österreich ist in vielen Bereichen der Energietechnologie führend und gilt als Innovationsland in Europa. Diese Innovationskraft müssen wir ganz gezielt dafür einsetzen, dass Energie auch zukünftig sicher, sauber und vor allem leistbar bleibt. Mit dem kürzlich gestarteten Strategieprozess „Energiezukunft sozial und innovativ gestalten“ setzen wir nun gemeinsam mit dem Klima- und Energiefonds die nächsten Schritte in diese Richtung. Denn die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir es schaffen, dass alle davon profitieren.“
Pilotprojekt gegen Energiearmut: Überblick und zentrale Ergebnisse
In rund 400 Haushalten, die durch den VERBUND-Stromhilfefonds der Caritas, den Stromspar-Check Vorarlberg sowie das lokale Nachbarschaftsprojekt der Wiener Grätzeleltern durch kostenlose Energieberatungen, Soforthilfen vor Ort oder Gerätetausch Unterstützung erhielten, wurden österreichweit Daten zu den Belastungen von Betroffenen und zur Tiefe der Energiearmut erhoben und vom ÖIN, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Östereichischen Energieagentur ausgewertet.
Jetzt vorliegende Ergebnisse zeichnen ein deutliches und alarmierendes Bild:
Mängel der Wohnung/des Wohngebäudes
Geräte und Beleuchtung
Belastungen der Befragten
"Eine wichtige Erkenntnis ist, dass der durchschnittliche Heiz- und Stromverbrauch der beratenen Haushalte unterhalb des österreichischen Durchschnitts liegen - bislang war man der Auffassung, die meisten Energiearmutsbetroffenen haben einen überdurchschnittlich hohen Energieverbrauch. Dies zeigt auch auf, dass Energieberatungen und Sofortmaßnahmen wichtig sind, aber dass wir weitere Maßnahmen gegen Energiearmut brauchen. Eine Zusammenarbeit mit PartnerInnen aus Wirtschaft und Politik ist daher notwendig", so die Projektleiterin Anja Christanell, Geschäftsführerin des ÖIN.
Maßnahmenkatalog gegen Energiearmut
Ein zentrales Ergebnis des Pilotprojektes ist auch ein umfassender Maßnahmenkatalog, der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen adressiert. Erste Vorschläge daraus (im Projektendbericht sind alle empfohlenen Maßnahmen zu finden):
Niederschwellige und kostenlose Vor-Ort-Beratung kombiniert mit Sofortmaßnahmen. Es bestehen oft Zugangsbarrieren zu Beratungs- und Hilfeleistungen; Energiearmutsbetroffene treffen zudem auf strukturelle Hindernisse in Form von energieineffizientem Geräte- und Heizungsbestand. Niederschwellige Beratungen vor Ort durch geschulte BeraterInnen oder Vertrauenspersonen können in Kombination mit Sofortmaßnahmen (wie z.B. Gerätetausch, Bereitstellung von Energiesparlampen, Abdichten von Fenstern und Türen) die Energieeffizienz deutlich erhöhen und Belastungen verringern.
Steigerung der Sanierungsquote von Gebäuden und Priorisierung thermischer Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Energiearmut. Das derzeitige Fördersystem für thermische Sanierungen lässt eine sozialverträgliche Ausgestaltung vermissen. In Wohngebieten, in denen sich ein hoher energetischer Sanierungsbedarf und eine einkommensarme BewohnerInnenstruktur deutlich überlappen, sollte die Sanierungsquote im öffentlichen und privaten Wohnbau erhöht und ein Anteil der Fördermittel für die Erhöhung der Energieeffizienz energiearmutsbetroffener Haushalte bereit gestellt werden.
Österreichweit: Zusammenschluss von Wissenschaft und Praxis
"Unsere Sozialberatungsstellen sind täglich mit Menschen konfrontiert, die sich entscheiden müssen, ob sie ihr Geld für Miete, Heizen oder Essen ausgeben. Durch das Pilotprojekt gegen Energiearmut konnte die bereits laufende Hilfe in drei Caritas-Projekten wissenschaftlich evaluiert und konnten bestehende Angebote verbessert werden. Wir haben nun das erste Mal eine fundierte Analyse zu den Lebens- und Belastungssituationen von Energiearmutsbetroffenen in Österreich, die unsere Erfahrungen aus der Praxis wissenschaftlich belegen", so Caritas Präsident Michael Landau. "Kein Kind soll in Österreich im Mantel in der kalten Wohnung die Hausaufgaben machen müssen und in einem schimmligen Zimmer schlafen müssen. So wie die Wohnung die zweite Haut des Menschen ist, so ist der Zugang zu Energie die Körperwärme, die der Mensch so dringend zum Leben braucht."
Mehr zum Thema Energiearmut finden Sie unter http://energiearmut.com
Titelfoto: v.l.n.r.: Michael Landau, Präsident Caritas Österreich und Projektpartner; Anja Christanell, Geschäftsführerin Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) und Projektleiterin; Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds; Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender Verbund AG und Projektpartner „VERBUND Stromhilfefonds“. Fotograf: Daniel Hinterramskogler / APA